„Wo gehen wir hin?
Immer nach Hause!“
Novalis
Beim Pilgern geht es um das Ankommen an einem bestimmten Ort, an dem Knöchelchen von Heiligen als Reliquien in kunsthistorisch wertvollen Schreinen, Sarkophagen oder Ähnlichem liegen. In der Neuzeit- meine ich- geht es mehr darum, anzukommen bei sich selbst. Ob das am überlaufenen Jakobsweg noch gelingt? Der Kunigundenweg jedenfalls bietet genügend Stille und auch Anstrengung (110 km sind zu laufen und insgesamt ca. 1000 Höhenmeter hinauf und hinunter). Sechs Etappen sind geplant, von Aub nach Bamberg. Ende Mai habe ich zum ersten Mal eine kleine Gruppe von Frauen dabei begleitet und geführt. Zunächst sollten wir sechs Frauen sein. Die erste verständliche Absage wenige Stunden vor Beginn, die zweite verständliche Absage nach dem ersten Tag ohne Gepäck. So waren wir nur mehr vier. Als ich gleich zu Beginn in der Kunigundenkapelle von Buch von der Treppe stürzte, dachte ich, diese Unternehmung stehe nicht unter einem guten Stern. Doch sie stand dann eben doch darunter. Dieser gute Stern hieß: Glück haben, Lösungen finden, sich an die Gegebenheiten anpassen, sich selbst an den eigenen Grenzen erleben. So zogen wir durch den Steigerwald, machten Atem- und Körperübungen, eigene Rituale und schulten uns in Achtsamkeit. Wir wurden selbst bei Regen nicht wirklich nass, bekamen bei Sonnenschein keinen Hitzschlag und am Tag des kalten Windes keine Erkältung. Genug zu essen gab es in den Gasthöfen und bei unseren Picknicks. Nur Vegetarierinnen hatten es nicht ganz einfach mit der fränkischen Kost. Die Natur wurde als große Ressource erlebt, das für sich sein und dennoch in einer Gruppe. Die verwirrend kreuzenden oder parallel laufenden Jakobswege bescherten uns nur die ersten zwei Tage Sichtung auf andere Pilger, ansonsten sahen wir nicht mal Wanderer. Und an Christi Himmelfahrt zogen auch keine Horden von Männern vatertagsfeiernd mit Leiterwagen durch den Wald, im Gegenteil wir wurden „als die neuen Herren“ begrüßt. Jeden Tag freute sich in den Dörfern irgendjemand, eine Gruppe von Frauen laufen zu sehen. Deren Freude wiederum freute uns. In Bamberg ankommen ist gleichzeitig Belohnung und Schock. Die Pracht des Domes mit dem Sarkophag der Heiligen Kunigunde von Tilmann Riemenschneider wird natürlich von unzähligen Touristen bewundert. Doch die Stille des Waldes war zu unserer letzten Übung inmitten des Trubels noch präsent. Müde, zufrieden, euphorisiert oder berührt trennten wir uns nach einem sehr weltlichen Genuss: Kaffee und Eis im Bassanese auf der historischen Oberen Brücke über die Regnitz.
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